Beyerp@ge  
Home ] Nach oben ] Meine Familie ] Proberaum ] Humor ] Favoriten ] Disclaimer ]

 

Was Sie über Arbeitszeugnisse wissen sollten

Grundsätzliches

Bei Beschäftigungsende steht einem Arbeitnehmer grundsätzlich ein Arbeitszeugnis zu. Auch bei Gelegenheiten wie Vorgesetztenwechseln oder Beförderungen werden oft Zeugnisse ausgestellt. Das Arbeitszeugnis hat seine größte Bedeutung als Teil der Bewerbungsunterlagen. Daher sollte es auch ausgestellt werden, sobald der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse nachweisen kann, z.B. wenn eine Kündigung ausgesprochen wurde.

Man unterscheidet grundsätzlich einfache und qualifizierte Zeugnisse. Das einfache Zeugnis dient im wesentlichen dem Beschäftigungsnachweis - z.B. um Zulassungsvoraussetzungen für Prüfungen nachzuweisen - und enthält neben den Angaben zur Person und Beschäftigungsdauer nur die Aufgaben, mit denen der Arbeitnehmer betraut war. Es wird meist ausgestellt, wenn die Beschäftigung nur von kurzer Dauer war, und der Arbeitgeber sich außer Stande sieht, eine Beurteilung abzugeben, oder wenn nicht mehr benötigt wird.

Diese Beurteilung macht dann auch den Unterschied zum qualifizierten Zeugnis aus und birgt den o.g. Zündstoff. Das Grundproblem besteht in der Auflage für Arbeitgeber, dass die Formulierungen wohlwollend ausfallen müssen, so dass man vor allem negative Urteile nicht unverblümt in ein Zeugnis schreiben darf. Das hat zu einer fragwürdigen Kultur geführt, die von Klauseln und Tricks geprägt ist, und in der sich selbst Fachleute kaum noch auskennen.

Die äußere Form

Egal welches der beiden Zeugnisse ausgestellt wird, einige grundsätzliche Anforderungen müssen erfüllt werden. Die Schriftform ist selbstverständlich, ebenso eine Unterschrift. "Maschinell erstellt und ohne Unterschrift gültig" ist nicht zulässig! Die Rechtsprechung hat festgestellt, dass offizielles und unverschmutztes Firmenpapier zu verwenden ist. Rechtschreibfehler, Korrekturen, Einfügungen etc. dürfen nicht vorgenommen werden und berechtigen den Arbeitnehmer, eine Neufassung zu fordern. Dagegen ist es zulässig, das Zeugnis zum Zweck des Versands zu knicken.

Was gehört hinein?

Der Name des Arbeitgebers gehört selbstverständlich in jedes Zeugnis, ebenso vorhandene akademische Titel des Beurteilten. Die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses ist korrekt wiederzugeben. Entscheidend ist hierbei die rechtliche, nicht die tatsächliche Beschäftigungsdauer. Zeiten, in denen der Beschäftigte freigestellt wurde, zählen also hinzu, ebenso Krankheitszeiten sowie Zeiten einer Wehrübung. Der Beschäftigungszeitraum ist schließlich im Interesse der Genauigkeit mit Anfangs- und Enddatum anzugeben.

Ebenso exakt und vollständig sind die vom Beschäftigten ausgeführten Tätigkeiten anzugeben, damit sich der Leser ein klares Bild über Art und Umfang der Beschäftigung machen kann. Merkmale einer Stellenbeschreibung oder einer tariflichen Eingruppierung können bei der Formulierung Verwendung finden. Hat der Arbeitnehmer zeitweise Sonderaufgaben wahrgenommen oder Vorgesetzte vertreten, sollte dies ebenfalls in das Zeugnis einfließen.

Die Beurteilung von Führung und Leistung hat wahrheitsgemäß und vollständig zu erfolgen. Die Vollständigkeit bedeutet auch, dass einmalige Verfehlungen, die nicht typisch für das Gesamtverhalten oder die Leistung waren keine Erwähnung finden dürfen. Für die Beurteilung ist laut Bundesarbeitsgericht eine Sprache zu wählen, die auch für den unkundigen Leser deutlich und eindeutig ist. Geheimzeichen oder -codes sind absolut unzulässig! Leider sind diese typischer Weise nicht ohne Weiteres erkennbar.

Umstritten ist die Schlussformel. Vorsicht ist bei der Erwähnung des Anlasses für das Zeugnis geboten. Hier muss geprüft werden, ob sie nachteilig für den Arbeitnehmer ist. Dann nämlich hat dies nichts im Zeugnis zu suchen. Strittig ist, inwieweit Dank für die Mitarbeit, Bedauern über das Ausscheiden und gute Wünsche für die Zukunft hineingehören. Die jüngste Rechtsprechung verneint die Frage mit der Begründung, dass dies nichts mit der Beurteilung oder der Tätigkeit zu tun habe. Tatsächlich achten aber viele Leser auch und gerade auf diese Sätze. Wenn man sich also nicht gerade im Streit trennt, sollte man diese Elemente unbedingt aufnehmen.

Als Aussteller kommen nur Personen in Frage, die einem unkundigen dritten als vertretungsberechtigt erscheinen. Üblicherweise sind dies Betriebs- oder Personalleiter. Wird dies nicht eingehalten, schließt der Leser des Zeugnisses gerne, dass der Beurteilte herabgewürdigt werden sollte.

"Die Kirche im Dorf lassen ..."

Grundsätzlich möchte ich an dieser Stelle für eine konstruktive Einstellung plädieren. Beide Seiten sollten versuchen, ihre Vorstellungen einander anzunähern. Arbeitgeber haben im Streitfall vor Gericht die schlechteren Karten und sollten schon deshalb bereit sein, auf die Wünsche ihrer Arbeitnehmer einzugehen. Das hat natürlich gewisse Grenzen, wenn es z.B. um nachweisliche Unwahrheiten geht. Schadenersatzansprüche durch nachfolgende Arbeitgeber können die Folge sein, wenn getroffene Aussagen nachprüfbar falsch waren.

Andererseits sollten Arbeitnehmer, die sich im Dschungel der Zeugnisformulierungen nicht auskennen, auch offen auf Vorschläge reagieren, da Arbeitgeber meist über entsprechende Fachliteratur und Erfahrung verfügen - sie schreiben so etwas nun mal öfter! Allerdings sollte man sehr genau prüfen, ob eine wirkliche Gesprächsbereitschaft über Zeugnisformulierungen vorhanden ist. Das merkt man vor allem daran, ob der Beurteilende auch bereit ist, die Bedeutung einzelner Formulierungen aus seiner Sicht zu erklären.

Die Beurteilung - was bedeuten die Formulierungen im Zeugnis?

Womit wir beim Kern der Sache wären: was bedeuten die Aussagen im Zeugnis? Worauf habe ich einen Anspruch? Dazu lässt sich zunächst feststellen, dass kein Arbeitnehmer Anspruch auf eine bestimmte Formulierung hat! Es gibt eine "neutrale Zone" in Form einer befriedigenden Beurteilung. Wünscht eine der beiden Seiten eine Abweichung von diesem Urteil zu ihrem Vorteil bzw. zum Nachteil des Anderen, so ist sie im Streitfall den Beweis für diese Einschätzung schuldig. Hier liegt "der Hase im Pfeffer". Wenn nicht konkrete Umstände ein bestimmtes Urteil rechtfertigen, wird man Probleme mit einer hieb- und stichfesten Beweisführung haben.

Da wären zunächst die bekannten Formulierungen für die Gesamtbeurteilung:

sehr gut

... stets zur vollsten Zufriedenheit ...

gut

... stets zur vollen Zufriedenheit ...  (schlechter = 2-)
oder

... zur vollsten Zufriedenheit ... (besser = 2+)

befriedigend

... zur vollen Zufriedenheit ...

ausreichend

... zur Zufriedenheit ...

mangelhaft

... im großen und ganzen zu unserer Zufriedenheit ...

ungenügend

... bemühte sich, den Anforderungen gerecht zu werden...

Dies sind sicher nicht die einzigen Möglichkeiten, die entsprechenden Einstufungen auszudrücken. Für eine sehr gute Beurteilung muss jedoch unbedingt der Zeitfaktor (stets, immer, jederzeit) und auch der Superlativ (sehr, außerordentlich) vorkommen. Das Wort "vollste" hat dabei eine hohe Verbreitung gefunden, stellt jedoch keine grammatisch korrekte Form dar (mehr als voll geht nun mal nicht!). Soll die Leistung mit gut bewertet werden, ist zumindest eins von beiden zu verwenden (siehe oben). Dabei ist jedoch die erste Formulierung als höherwertig anzusehen.

Viele Zeugnisschreiber und -leser messen diesem Gesamturteil übertriebene Bedeutung zu. Wenn ein Zeugnis "sehr gut" zum Ausdruck bringen soll, muss weit mehr als nur "stets zur vollsten Zufriedenheit! ausgesagt werden . Ein qualifiziertes Zeugnis muss auch darstellen, worin sich die Qualitäten äußern, die zu dem Gesamturteil führen. Es sind dazu fachliche und persönliche Merkmale zu beurteilen und eine Aussage über die Führung des Mitarbeiters zu treffen. 

Beispiele für Beurteilungsmerkmale können z.B. sein:

Fachwissen
Anwendung von Fachwissen
Initiative
Selbständigkeit
Ausdauer
Belastbarkeit
Flexibilität
Kreativität
Fleiß
Sorgfalt
Zuverlässigkeit
Verantwortungsbewusstsein
Quantität der Arbeit
Arbeitsergebnis/-qualität
Soziales Verhalten
Zusammenarbeit
Führungsverhalten
Motivationsfähigkeit
usw.

Welche Merkmale im Einzelfall beurteilt werden sollten, hängt von der Tätigkeit und der Hierarchie des Mitarbeiters ab. So kann Fachwissen kein Beurteilungsmerkmal bei Auszubildenden sein, Führungsverhalten ist bei einem Akkordarbeiter nicht zu beurteilen. Dagegen ist es unerlässlich, bei einem Mitarbeiter, der eine Kasse geführt hat, Ehrlichkeit, bei Außendienstlern oder Serviceleuten die Akzeptanz bei Kunden zu beurteilen.

Für die Formulierungen bei der Beurteilung gilt: sehr gute Beurteilungen müssen im umgangssprachlichen Sinne sehr überschwänglich klingen. Was umgangssprachlich „normal“ klingt wird dagegen selten besser als „befriedigend“ verstanden. Auch hier ist analog zum Gesamturteil ein Superlativ (sehr, höchst, außerordentlich) und - wo sinnvoll - der konstante Zeitfaktor (stets, immer, jederzeit) zu verwenden.

Beispiel:
Selbst unter Termindruck widmet sie sich ihren Aufgaben mit äußerster Sorgfalt und Genauigkeit (Sorgfalt = 1), dabei arbeitet sie zügig und konzentriert (Arbeitstempo = 2-3), so dass ihr die zeitgerechte Erledigung übernommener Aufgaben stets gelingt (Zuverlässigkeit = 1).

Gewarnt werden muss allerdings davor, das Ganze aus dem Auge zu verlieren. Das Niveau, auf dem eine sehr gute Beurteilung formuliert wird, wirkt sich nicht nur durch ein "sehr gut" aus, sondern auch durch eine angemessene Wortwahl.

Beispiel:

"Er wusste sich zu helfen, wenn Ungewohntes geschah." drückt eine befriedigende Beurteilung der Flexibilität aus. Es wird nicht automatisch ein sehr gut, wenn ich schreibe "Er wusste sich stets sehr gut zu helfen, wenn ...", weil ein außerordentlich flexibler Mitarbeiter nicht in eine ungewohnte Situation "geraten" würde. Hier braucht es schon die Darstellung einer aktiven und souveränen Arbeitshaltung: "Neuen Situationen begegnete er stets offen und meisterte sie innerhalb kürzester Zeit, ohne dass eine Leistungsminderung festzustellen war."

Wie die Formulierung im Einzelfall klingt ist aber auch eine Stilfrage des Beurteilenden. Letztlich muss klar sein, dass es im Streitfall darauf ankommen wird, die Bedeutung solcher Aussagen glaubhaft zu machen. Einen Anspruch auf eine ganz bestimmte Formulierung spricht das Arbeitsgericht einem Arbeitnehmer in aller Regel nicht zu!

Die Führung ist mit einer Aussage darüber zu versehen, wie das persönliche Auftreten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen, Mitarbeitern und ggf. Kunden war. Grundregeln für die Beurteilung gelten hier in analoger Weise. Beliebt ist das Spielen mit der Reihenfolge der o.g. Personenkreise. Eine Veränderung derart, dass zuerst das Verhältnis zu Kollegen und dann erst zu Vorgesetzten erwähnt wird, liest man gerne als Andeutung auf zweifelhafte Loyalitäten oder Probleme mit Vorgesetzten. Abgestuft wird z.B. durch "einwandfrei" (zufriedenstellend), "jederzeit einwandfrei" (gut) und "stets vorbildlich" (sehr gut).

Die Schlussformel enthält meist eine Andeutung über die Art des Ausscheidens bzw. den Anlass für das Zeugnis. Üblich ist auch die Aufnahme einer Dankesformel, der Ausdruck über das Bedauern, falls der Bewerber ausscheidet und gute Wünsche für die berufliche und private Zukunft. 

Die Bedeutung von Zeugnissen

Mein ganz persönlicher Standpunkt zu diesem Thema stellt eigentlich die oben stehenden Aussagen in Frage. Die Gültigkeit solcher Formulierungsregeln ist nämlich immer im Zusammenhang mit der Auffassung der Autoren und Leser von Arbeitszeugnissen zu sehen. Ich habe mich zwar an gängige Auffassungen aus der Literatur namhafter Verlage und aus dem, was in Fortbildungsseminaren gelehrt wird, gehalten. Aber das ist nicht zwangsläufig identisch mit dem, was Leser von Zeugnissen erwarten oder was Arbeitsgerichte in Urteilen aussagen.

Beispiel:

Die jüngste Rechtsprechung hat festgehalten, dass ein Arbeitnehmer, der ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt bekommen soll, deshalb nicht automatisch Anspruch auf eine Schlussformel hat, die Dank für die Zusammenarbeit, Bedauern über das Ausscheiden und gute Wünsche für die Zukunft enthält. Ich kenne jedoch sehr viele Personalverantwortliche, die dem Fehlen eben dieser Bestandteile eine äußerst negative Bedeutung beimessen. Und was soll ich als Leser eines Zwischenzeugnisses davon halten, wenn bei einer sehr guten Beurteilung nicht auch die Hoffnung auf eine weitere gute Zusammenarbeit zum Ausdruck gebracht wird?

Wenn also die Interpretation eines Zeugnisses so unsicher ist, weil Autoren oft etwas ganz anderes ausdrücken wollen, als später daraus gelesen wird, stellt das sicher die Aussagekraft von Arbeitszeugnissen in Frage. Ich kann nur jedem wünschen, dass die o.g. Grundsätze von seinem Beurteilenden befolgt werden, bzw. dass eine faire Gesprächsbereitschaft über die Gestaltung des Zeugnisses angeboten wird, damit keine versehentlichen "Klopse" den Weg in eine Unterlage finden, die meines Erachtens viel zu sehr überbewertet wird.

 

 

Stand: 19.02.2006
Fragen, Kommentare oder Anregungen zur beyerp@ge?  Schreibt mir eine Email:

 

Bitte tragen Sie sich in mein Gästebuch ein!